Von Fussballprofis und Polizisten
Berufswünsche und Berufswahl vieler Jungen sind immer noch geprägt von geschlechterstereotypen Mustern und Bildern. Auch heute träumen 14-Jährige noch von einem Leben als Fußballprofi, Rennfahrer, Polizist, Soldat oder Kfz-Mechatroniker. Ein Blick in die Ausbildungsstatistik zeigt, dass junge Männer hauptsächlich in handwerklich-technischen Berufen vertreten sind, in Metall- und Elektroberufen, in Bau- sowie in kaufmännischen Berufen. Sie ergreifen eher eine Ausbildung im dualen Ausbildungssystem als eine vollzeitschulische. Hier sind sie eher in den wirtschafts- und technischen Ausbildungsbereichen als in den Gesundheits- und Sozialberufen vertreten. Ebenso ist in den naturwissenschaftlichen Studiengängen, den Ingenieurwissenschaften und den Studiengängen der Fertigungstechniken der Männeranteil sehr hoch, in den Bereichen Sozialwesen, Erziehung und Sprachen dagegen weiterhin gering.
In der traditionellen Vorstellung von geschlechtlicher Arbeitsteilung wird unbezahlte Haus-, Pflege-, und Erziehungsarbeit Frauen zugeschrieben, während der Mann als Hauptfamilienernährer wahrgenommen wird. Und auch die entsprechenden beruflichen Arbeitsfelder haben eine geschlechtliche Konnotation: Pflege- und Erziehungsberufe wie auch Dienstleitungsberufe gelten als eher weibliche Betätigungs- und Kompetenzfelder.
Arbeitsmarkt im Umbruch
Die traditionelle geschlechtliche Arbeitsteilung ist ins Wanken geraten: die Frauenemanzipationsbewegung veränderte die Partnerschaftsbeziehungen tiefgreifend dahingehend, dass Frauen heute eine Teilung der Haushalts-, Pflege- und Erziehungsarbeit einfordern, und der Übergang von der Industrie- zur Informationsgesellschaft führte zu Umbrüchen auf dem Arbeitsmarkt. Die Folgen: diskontinuierliche Erwerbsbiografien - also wechselnde Arbeitsstellen und Berufe, Zeiten von Erwerbs- und Nichterwerbsarbeit, Kurzarbeit und Teilzeit - sind heute ebenso Normalität wie die gestiegenen Berufsanforderungen in Bezug auf die so genannten soft skills wie Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit.
Doch nach wie vor ist die gesellschaftliche Vorstellung von Männlichkeit stärker an eine Erwerbsorientierung geknüpft als an eine Partnerschafts- und Familienorientierung. Viele junge Männer befinden sich somit in einer Zwickmühle: Aufgrund eines immer noch wirksamen traditionellen Männlichkeitsverständnisses verschließen sie sich gegenüber einem Großteil von möglichen Berufswegen, beispielsweise im Sozial- und Pflegebereich. Damit gehen sie oftmals an den Entwicklungen und Anforderungen des Arbeitsmarktes vorbei. Sie beschränken aber auch ihre eigenen Interessen, Potenziale und Lebenswege sowohl im Bereich ihrer beruflichen Arbeit als auch im Bereich Partnerschaft und Familie.
Geschlechterreflektierte Berufsorientierung
Aufgabe einer geschlechterreflektierten Berufsorientierung und Lebensplanung für Jungen ist es, die Fragen nach vorhandenen Interessen, Lernstand und Fähigkeiten und den berufsbezogenen Anforderungen geschlechtersensibel und jungengerecht zu bearbeiten. Gleichzeitig wird den Jungen Raum gegeben, um – über einschränkende traditionelle männliche Lebensentwürfe hinweg – über Lebensfragen nachzudenken wie:
- Wie möchte ich leben?
- Wie stelle ich mir meine Partnerschaft vor?
- Wie möchte ich eine evtl. Vaterschaft gestalten?
- Welchen Beruf möchte ich ergreifen und welcher Beruf passt zu mir?
- Was brauche ich an Kompetenzen und Fähigkeiten für eine gute Alltagsbewältigung und Haushaltsführung?
- Wie möchte ich das Verhältnis von Beruf, Partnerschaft, Familie, Freundschaften, Eigenzeiten gestalten?
Ziel des Projektes Jungenarbeit und Schule ist es, durch Fortbildung PädagogInnen zu unterstützen, männliche Jugendliche in kritisch-geschlechterreflektierter Weise in ihren Berufs- und Lebensplanungen zu begleiten, Entscheidungsressourcen, Lern- und Sozialkompetenzen von Jungen zu stärken und ihre Fähigkeit zu Kooperation und konstruktiver Konfliktlösung zu fördern, was ein breiteres Feld an beruflichen Wegen, persönlicher Entwicklung und Neugier für diese Jungen eröffnet.